Vom Jungen zum Mann
Nichts ist schwieriger als die Pubertät von Jungs. Entweder schlackern die zu langen Arme wie unsteuerbare Polypen am dünnen, schmalen Körper herunter, oder du bist der einzige Bleichling ohne Bart unter Freunden, die alle schon den Stimmmbruch hinter sich haben und an der Kasse keine ID zeigen müssen, wenn sie ein Bier kaufen. Und noch schlimmer - deine Gefühle drehen sich im Kreis und deine Gedanken jagen wie junge Schimpansen durch den Urwald, als gäbe es kein Morgen mehr. Zu allem Übel weisst du auch gar nicht, wie du das in Worte packen könntest, was dich beschäftigt, zumal deine Freunde dein Chaos nicht zu kennen scheinen.
Damit stehst du vor einer schwierigen Reise, einer Art Anti-Heldenreise vom Jungen zum Mann und ausser dir scheint noch nie ein Junge damit ain Problem gehabt zu haben. Und so stehst du vor dieser Schwelle wie damals die Jungs aus Sonogno, die an Kaminfeger aus Mailand verkauft worden sind. Und das ist deshalb ein Problem, weil wir vieles, was wir über diese Schwelle wissen, einfach über Bord geworfen haben. Denn wir meinen, dass sich die Initiation vom Jungen zum Mann wie von selbst erledigt. Es beginnt ja schon ganz früh in der Peer-Group, so denken wir, geht über ins Internet und spätestens im Militär wird der Junge dann zum Mann. Weit gefehlt!
Ganz anders bei einzelnen indigenen Völkern: Da wird die Schwelle zwischen Jungen und Männern noch immer aktiv mit einer Zeremonie oder einem Initiationsritus gefeiert - in unserer modernen Welt findet dies kaum noch statt. Selten sind die Väter, die an diesen Veränderungen merken, was es damit auf sich hat oder dass der Sohn ein anderer wird. Soziologen befürchten, dass wir uns unter anderem deswegen mehr und mehr zu einer „unreifen Gesellschaft“ entwickeln.
Vom Erzieher zum Mentor und Freund
Nur: Nicht nur die Jungs stehen etwas verloren vor dieser Schwelle und trödeln bereits vor der Schwelle. Auch ihre Väter verstehen nicht so recht, was da passiert mit ihrem Sohn, aber auch mit ihnen selber. Sie realisieren vielleicht, dass die Jungs kräftiger werden, doppelt so viel essen wie früher, weniger bis kaum mehr sprechen und wenn, dann mit dieser seltsam gebrochenen Stimme. Intuitiv (für die, die einen Zugang zu ihrer Intuition aufrecht erhalten haben) spüren sie als Vater, dass da gerade etwas abgeht, woran sie sich beteiligen sollten, nur wissen sie noch weniger als beim Windelwickeln, was von ihnen erwartet wird. Und ja: Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Vielleicht wäre ja gerade jetzt der Zeitpunkt, sich intensiver mit dem eigenen Sohn und auch mit sich selber zu beschäftigen. Denn junge Männer brauchen keinen Erzieher mehr, sie brauchen einen Mentor oder älteren Freund, der immer da ist, immer Zeit hat für diese so komische und verwirrende Zeit. Und ja: Auch das kann man lernen, als Vater. Und unter anderem bei uns.